Die Waldgenossenschaft Burbach im südlichen Siegerland hat im Jahr 2023 eine grundlegende Entscheidung getroffen, auslaufende Jagdpachtverträge nicht mehr zu verlängern, sondern in Eigenregie zu jagen. Mittlerweile bejagt die Genossenschaft ihre rund 840 Hektar in drei Revieren nun vollständig selbst – waldfreundlich, tierschutzgerecht und konsequent.
Der Hintergrund ist im südlichen Siegerland unübersehbar: Der Wald ist in Not. Die Kalamitäten (Sturm, Dürre, Borkenkäfer) haben auch in Burbach tiefe Spuren hinterlassen: Rund 50 Prozent der Waldfläche sind geschädigt oder zerstört. Wenn der Wald eine Zukunft haben sollte, musste sich etwas ändern. Und zwar grundlegend.
Die Waldgenossenschaft übertrug im Frühjahr 2023 ihrem Mitglied Christopher Förster die Jagdleitung für das erste freiwerdende Jagdrevier mit dem Ziel, ein leistungsfähiges Jagdteam aufzubauen und einen klimaresistenten, standortgerechten Dauerwald aufzubauen.
Schon im ersten Jahr der Eigenbewirtschaftung (2023) wurden rund 40 Rehe pro 100 Hektar erlegt. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten: Auf vielen Flächen keimt inzwischen Naturverjüngung, darunter Eichen, Bergahorn, Tannen – ganz ohne Verbissschutz, Zäune oder Gatter. Ein Wald, der sich selbst heilt – ermöglicht durch Jagd.
Auch ein weiterer Effekt ist bemerkenswert: Während in der Vergangenheit jährlich 15 bis 20 Wildunfälle auf den viel befahrenen Straßen im Bereich der Waldgenossenschaft gezählt wurden, ist diese Zahl inzwischen fast auf Null gesunken. Ein klarer Hinweis auf die veränderte Wilddichte und das angepasste Verhalten des Wildes durch gezielte, tierschutzgerechte Bejagung. Außerdem wird hier der ohnehin schon schwindende Lebensraum des Wildes nicht überflüssigerweise noch zusätzlich durch Zäune verkleinert. "Es ist doch widersinnig, wenn wir einerseits für Millionen Euro Steuergeld Wildbrücken bauen und gleichzeitig wieder für Millionen Euro die Einstände des Wildes mit Zäunen zerschneiden,“ meint Christopher Förster.
Der beste Verbissschutz ist eine konsequente, saubere Jagd. Und entgegen vieler GerĂĽchte und ĂĽbler Nachreden betonen die Mitglieder des Jagdteams: Tierschutz und jagdliches Verantwortungsbewusstsein stehen bei jeder Entscheidung an erster Stelle. Das zeigt auch die sehr geringe Anzahl an notwendigen Nachsuchen.
840 Hektar Waldfläche (davon rund 400 Hektar Kalamität durch Sturm, Dürre und Borkenkäfer). Drei Jagdbezirke. 3000 Genossenschaftsanteile verteilt auf rund 300 Anteilseigner. Teilnahme am Bergwaldprojekt.
April 2023: Übernahme des ersten Reviers (Burbach 2) in Eigenregie. Jagdpachtvertrag lief aus und wurde nicht verlängert.
April 2024: Ăśbernahme des zweiten Reviers (Burbach 1) nach Auslaufen des Pachtvertrages.
Dezember 2024: AuĂźerordentliche KĂĽndigung des vorletzten Jagdpachtvertrages.
April 2025: Vorzeitige Auflösung des letzten Jagdpachtvertrages
Seitdem gesamte Jagdfläche in Eigenregie.
Jagdleitung: Christopher Förster (2. Beisitzer der Waldgenossenschaft).

Team: Mithilfe im Revier, Reparatur und Neubau Hochsitze. Ansitzeinrichtungen gehen ins Eigentum der Waldgenossenschaft.
Strategie: Intervalljagd (Ansitz und Pirschen), Schwerpunktbejagung, DrĂĽckjagden, Klettersitz.
Doch nicht alle Beobachter im südlichen Siegerland standen dem diesem mutigen Schritt unvoreingenommen gegenüber. Die traditionelle Jägerschaft reagierte teils mit deutlicher Ablehnung. Es wurden Unwahrheiten verbreitet, es kam zu Anfeindungen, bis hin zur Behauptung, das Vorhaben sei „Quatsch“. Als der letzte Pachtvertrag gekündigt wurde, behauptete der bisherige Pächter sogar, es gebe nur noch „zehn Rehe“ im Revier – wenige Wochen später hatte das neue Jagdteam bereits mehr als die doppelte Anzahl erlegt.
Einige Kritiker behaupten, es existiere keine durchdachte Jagdstrategie und das Konzept selbst sei nicht nachhaltig. Diese pauschale Kritik ist auch deshalb erstaunlich, weil die Kritiker die Arbeit des Jagdteams noch nie vor Ort erlebt oder sich vor Ort ein Bild vom Projekt gemacht haben. Kritiker würden erleben, dass die Jagd einem klar definierten Konzept folgt und einer fundierten Strategie. "Immer wieder betonen die Mitglieder des Jagdteams, dass sie ein derart hohes Maß an Strategie, Zusammenhalt, Effektivität und Organisation in konventionellen Revieren bisher vermisst haben." Beispielsweise gilt ein striktes Nachtjagdverbot, das Jagdteam wird regelmäßig geschult und fachlich weitergebildet, um den höchsten Standards im Wildtiermanagement gerecht zu werden. „Wir setzen auf verantwortungsvolles Handwerk, Fachkenntnis und langjährige Erfahrung,“ sagt Jagdleiter Christopher Förster.
Bei aller Kritik und persönlichen Angriffen aus der traditionellen Jägerschaft herrscht im Team sehr gute Stimmung, denn der sichtbare Erfolg im Wald motiviert und macht stolz. „Zunächst wurden wir belächelt, dann bekämpft. Doch heute zeigt sich eindrucksvoll: Es funktioniert. Und zwar viel besser, als viele gedacht haben,“
Ein oft vorgebrachtes Argument gegen die Regiebejagung lautet, sie sei fĂĽr Waldbesitzer zu teuer. In Burbach zeigt sich jedoch das Gegenteil: Die Regiejagd kostet die Waldgenossenschaft kein Geld. Sie bringt den EigentĂĽmern wirtschaftliche Vorteile.
Die bisherigen Pachteinnahmen waren rückblickend betrachtet „nichts anderes als ein schlechtes Schmerzensgeld,“ so Waldvorsteher Josef Mitterfellner, „und zwar gemessen an den Wildschäden, die Jahr für Jahr entstanden und dem Ärger den wir hatten.“ Heute kann auf Zäune verzichtet werden. Der Jungwald wächst aus eigener Kraft, ohne teure Schutzmaßnahmen. Auch das ist ein Gewinn und eine Investition in die Zukunft.
Alle Mitglieder des Jagdteams sind auch Mitglied im Ă–kologischen Jagdverein Nordrhein-Westfalen (Ă–JV NRW). Sie vereint die Ăśberzeugung, dass eine tierschutzgerechte Jagd und gesunder Wald kein Widerspruch sind, sondern sich gegenseitig befruchten.
Der Zuspruch wächst stetig. Immer mehr Menschen aus der Region, Waldbesitzer, Jäger, Naturliebhaber interessieren sich für das Modell der Burbacher Regiejagd. Die Zahl der Bewerber für das Jagdteam ist so groß, dass Christopher Förster inzwischen lachend sagt: „Wenn das so weitergeht, müssen wir demnächst noch Flächen dazukaufen, um alle willigen Jäger unterzubringen.“ Es hat sich offenbar herumgesprochen: das Burbacher Jagdteam funktioniert. Es gibt keine Hierarchien. Alle arbeiten gleichberechtigt, und jeder trägt Verantwortung für das Ganze. Auch das jagdliche Handwerk wird gepflegt: So lädt die Genossenschaft das Team ins Schießkino ein, um Schießfertigkeit und Präzision zu trainieren.
Und mit Blick auf Einsatz und Erfolgsfaktoren sagt er mit einem Augenzwinkern: „Die wenigsten Rehe habe ich bisher vom Sofa aus geschossen. Erfolg hat nur, wer auch wirklich jagen geht und jagen kann.“
Was das Team tut, wird nicht versteckt. In jährlichen Waldbegehungen sind die Waldgenossen und die Öffentlichkeit eingeladen, mit eigenen Augen zu sehen, was konsequente Bejagung bewirken kann und wie binnen kurzer Zeit auf den Kalamitätsflächen wieder Wald entsteht. Die Zusammenarbeit mit dem sehr geschätzten Förster Elmar Wulf ist dabei ein zentraler Baustein.
Auch im jagdlichen Alltag setzt das Team auf Verständnis und Dialog. „Wir gehen aktiv auf Waldbesucher, Wanderer, Sportler und Radfahrer zu, nehmen Rücksicht auf deren Interessen und pflegen einen achtsamen Umgang,“ erklärt Förster.
Nachhaltigkeit endet dabei nicht bei der Jagd: Alle Hochsitze werden nach einem standardisierten Modell vom Jagdteam gebaut und dem Landschaftsbild angepasst an jagdlich erfolgversprechenden Orten platziert. Sicherheit und Effizienz sind bei der Standortwahl entscheidend. Genutzt wird Lärche aus dem Genossenschaftswald, die im mobilen Sägewerk passend aufgeschnitten wurde. Das heißt, es verbleibt künftig kein Hochsitz-Müll im Wald.
Die Hinterlassenschaften früherer Pächter dagegen zeugen von einem anderen Verständnis und sind ein Indiz dafür, dass manch ein Pächter nicht aus Naturverbundenheit, sondern aus anderen Beweggründen jagen wollte.
Die Waldgenossenschaft Burbach macht deutlich: Regiejagd ist kein Allheilmittel, aber ein gangbarer Weg, wenn klare Ziele, Kontrolle und Konsequenz zusammenkommen. Auch andere Modelle können funktionieren – wichtig ist der Wille zur Kontrolle und der Fokus auf den Zustand des Waldes.
Werner Weltersburg
„Der Weg war nicht bequem, aber er war richtig. Der Wald wächst. Das Wild ist gesund. Burbach beweist: Es geht, und zwar besser als gedacht.“
Josef Mitterfellner, Vorsitzender der Waldgenossenschaft Burbach
„Regiejagd ist nicht der einzige Weg – aber einer, der hier in Burbach gut funktioniert“

Christopher Förster, Jagdleiter und 2. Beisitzer der Waldgenossenschaft Burbach
Erweitert um Kulinarik, Nachsuche und Hochsitzbau
Das erprobte Ansitzseminar „Mit 20 W’s zum Jagderfolg“ ist für sich genommen schon ein jagdlicher Crash-Kurs mit viel Theorie und Praxis binnen kurzer Zeit. In Burbach fand das Seminar im April noch drei spontane Erweiterungen, die ebenfalls noch in den Zeitplan passten: Nämlich „Nachsuche“ mit Nachsuchenführer Ludger Kloidt, Hochsitzbau im Expressverfahren mit Christopher Förster und Kochen und verzehren verschiedener Wildgerichte mit Werner Schui.
Mit einem Zeitrahmen von 24 Stunden (Samstag bis Sonntagmorgen) bietet das Seminarformat bei geringem Organisationsaufwand viel Nutzen und Erkenntnisse für die Teilnehmenden, seien es Jungjäger oder „alte Hasen“, die ausrichtenden Revier- oder Jagdleiter finden ggf. aus dem Teilnehmerkreis neue Mitjäger und schließlich sind die Kühlkammern nach dem Seminar immer voller als vorher.
Von den bisher sechs 20W-Seminaren fanden drei in NRW und drei in Rheinland-Pfalz statt. Revier- oder Jagdleiter, die daran Interesse haben wenden sich gerne an werner.schui@oejv-rlp.de