Tagung zur Jagd in Eigenbewirtschaftung am 29. Oktober 2024 in Wipperfürth

„Das Interesse ist hoch und die Not groß!“  

Mehr als 50 Teilnehmende in der Tagung für Jagdrechtsinhaber, Jagdgenossenschaften, Kommunen, Kirchengemeinden und Eigenjagdbesitzer 

Seit den massiven Trockenschäden und Kalamitäten stellen immer mehr Waldbesitzer und Mitglieder in Jagdgenossenschaften die Frage, wie sie die Wiederbewaldung ihrer Flächen erreichen und den wirtschaftlichen und ökologischen Ruin verhindern können. 

Ein Schlüsselfaktor ist die Jagd, denn überhöhte Schalenwildbestände verhindern in vielen Revieren die dringend nötige Naturverjüngung, verursachen damit immense Kosten, schmälern die biologische Vielfalt massiv.

Vor diesem Hintergrund hat die Tagung „Wohin mit meinem Jagdrecht?“ in Wipperfürth Agathaberg einen Nerv der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer getroffen. Die unerwartet hohe Teilnehmerzahl zeigt: Das Interesse ist hoch und die Not groß.

In sieben Fachvorträgen und einer Exkursion in die Eigenregiejagd Wingenbach wurde deutlich, vor welch hohen Anforderungen die Waldbesitzenden stehen, welch entscheidende Rolle die Wilddichten spielen und wie sich auch die Jagd verändern muss, wenn Jägerinnen und Jäger ihrer Verantwortung für Natur und Gesellschaft auch künftig gerecht werden wollen.

Die Tagung war eine gemeinsame Veranstaltung von: 
Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft NRW, Gemeindewaldbesitzerverband NRW, St. Nikolaus Wipperfürth, Deutscher Forstverein NRW, Ökologischer Jagdverein NRW

Begrüßung und Grußwort

Detlev von Eichborn

stellvertretender Vorsitzender des ÖJV.NRW

„Wir haben ein sehr sensibles Thema aufgegriffen. Aber ich jage in der Gewissheit, dass Jagd zur Lösung waldbaulicher Aufgaben geeignet ist.“

Christoph Ewers


Bürgermeister Burbach, Vorsitzender Gemeindewaldbesitzerverband NRW

„Die Bejagung in Eigenregie ist eine spannende, eine herausfordernde und auch immer häufiger diskutierte und praktizierte Alternative“

Die große Resonanz auf diese Tagung ist ein Hinweis auf die hohe Relevanz des Themas. Zeitgemäße und effektive Bejagung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Wir müssen konstatieren, dass die  gesetzlichen Vorgaben für angepasste Wilddichten nicht überall erfüllt werden. Der Wald im Klimawandel ist die größte Herausforderung, seit es eine geregelte Forstwirtschaft gibt.

Man kann deshalb allen Waldbesitzern dringend empfehlen, alle jagdrechtlichen Möglichkeiten zu nutzen: um die forstbetrieblichen Ziele zu erreichen und so auch kommenden Generationen gerecht zu werden.
Dabei ist die Bejagung in Eigenregie eine spannende, eine herausfordernde und auch immer häufiger diskutierte und praktizierte Alternative zur klassischen Verpachtung. Das gilt auch für den Kommunalwald.

Die Fachvorträge

Geballte Expertise: Christopher Förster, Uli Osterheld, Luisa Kurzenhäuser, Torsten Dörmbach, Dr. Ralf Petercord und Frank Christian Heute

Dr. Ralf Petercord

Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW Referat Waldbau, Klimawandel im Wald, Holzwirtschaft

 

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Erfordernisse an die Jagd im Klimawandel

In den kommenden Jahren werden die Auswirkungen des Klimawandels zunehmend deutlich werden. Damit verändert sich der Waldzustand erwartbar dramatisch. Die aktuellen Schäden in den Fichtenbeständen waren vor diesem Hintergrund erst der Anfang dieser Veränderungen. Die Geschwindigkeit des Klimawandels wird die natürliche Anpassung der Wälder überfordern, so dass ein aktives waldbauliches Handeln erforderlich ist, dass die Etablierung neuer genetischer Herkünfte und Baumarten ermöglicht. Bereits bestehende Schadflächen müssen wiederaufgeforstet und vitalitätsschwache Wälder umgebaut werden. Ziel sind strukturierte Mischbestände aus standortgerechten Baumarten, die aus auflaufender Naturverjüngung, aber eben auch aus Pflanzung und Saat als Verjüngungsverfahren entstehen.

Allein in Nordrhein-Westfalen sind in den kommenden Jahren ca. 350.000 Hektar Waldfläche betroffen. Der Finanzierungsaufwand wird mit ca. 1,5 Milliarden Euro für den Waldbesitz immens sein. Aktuell sind in Nordrhein-Westfalen die Schalenwildbestände insgesamt zu hoch, um den notwendigen Waldumbau ohne Wildschutzmaßnahmen realisieren zu können. Absehbar wird die bisherige Jagdpraxis nicht ausreichen, um die aktuelle Situation adäquat zu beheben. In der Folge sind zusätzliche finanzielle Aufwendungen für mechanischen bzw. chemischen Wildschutz notwendig oder neue Jagdkonzepte und -strategien erforderlich

Uli Osterheld

Geschäftsführer ProJagdkonzept

 

 

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Wechsel in die Eigenregiebejagung - Führen Sie Regie!

Was charakterisiert die Eigenregiebejagung gegenüber dem Pachtmodell? Für wen ist dieses Modell geeignet? Wann ist eine Verpachtung sinnvoller? Welche Anforderungen sind an den Erfolg gestellt? Woran kann der Erfolg scheitern? Welche Chancen und Risiken birgt das Modell? Wie sehen die Schritte bei einem Modellwechsel konkret aus?

Der Vortrag beleuchtet aus dem Blickwinkel der Grundstückseigentümer und mit der jahrelangen Erfahrung aus einer Reihe von eigenbewirtschafteten Revieren alle Fragen, die für eine fundierte Entscheidung notwendig sind. Er zeigt, worauf es bei einem Wechsel ankommt und welches Handwerkszeug benötigt wird: Von der Entscheidungsfindung, der Vergabe bis zur Organisation der Eigenbewirtschaftung.

Luisa Kurzenhäuser

Hochschule Forst Rottenburg

 

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Regiejagd im Baukastensystem?

Erfahrungen aus einem Projekt zur jagdlichen Eigenbewirtschaftung der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg: Der zunehmende Druck durch den Klimawandel rückt die wichtige Rolle der Jagd für den Waldumbau ins Rampenlicht. Viele Waldeigentümer sehen sich mit klimabedingten Waldschäden konfrontiert, die zeigen, dass ein „Weiter so“ nicht möglich ist.

Wenn aufgrund unzureichender Bejagung auch noch die Naturverjüngung ausbleibt, wird der Umbau zu einem klimastabilen Mischwald eine kostspielige Herausforderung. Lösungsansätze sind deshalb notwendiger denn je. Bisher wenig beachtet, gibt das Bundesjagdgesetz Jagdrechtsinhabern die Möglichkeit der Eigenbewirtschaftung der Jagd. Damit haben Waldeigentümer die Möglichkeit, die Jagd selbst zu lenken. Welche Optionen es für den Aufbau von eigenbewirtschafteten Jagden gibt, untersucht die Hochschule für Forstwirtschaft momentan in einem Forschungsprojekt. Dabei zeigt sich: In Süddeutschland ist die Eigenbewirtschaftung der Jagd durch Kommunen und Jagdgenossenschaften regional weiter verbreitet als gedacht.

Und: Die Eigenbewirtschaftung ist ein flexibles Modell und bietet viele individuelle Möglichkeiten zur Anpassung an lokale Gegebenheiten. Im Vortrag werden Auszüge aus den bisherigen Projekterkenntnissen präsentiert.

Frank Christian Heute

Wildökologie-Heute 

Gabriel Freiherr von dem Bussche

Forstbetrieb Schloss Neuenhof

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Frank Christian Heute

Das „Rehwildprojekt NRW“ (2017 – 2022) hat verdeutlicht, dass in den meisten erfolgreich bejagten Revieren nach „Kyrill“ eine Umstellung der Jagd stattgefunden hatte. Eines der größten Probleme für motivierte Betriebe ist das Finden geeigneter Jäger per speziellem Bewerbungsverfahren. Die Qualität des einzelnen Jägers entscheidet über die Flächengröße, die der Jäger bejagt. Die Qualität des Jagdleiters und des Jagdteams im Betrieb ist wiederum entscheidend für die erfolgreiche Jagd. Im Vortrag wurde erläutert, was sich in den Revieren bzw. Betrieben geändert hat – sowohl für die Eigentümer als auch für die Jäger.

Gabriel Freiherr von dem Bussche

Am Beispiel des Forstbetriebs Schloss Neuenhof/ Lüdenscheid (Sauerland) wurden die tiefgreifenden Veränderungen des Jagdbetriebs verdeutlicht. Das Grundproblem war über Jahre die Erwartungshaltung der zahlenden Jäger, die nicht bereit waren, intensiver für den Betrieb zu jagen. Erst seitdem die Jäger keine Entgelte mehr für die Jagd zahlen müssen, nach klaren Zielvorgaben (mindestens 20 Rehe pro 100 ha) jagen und ein jagdlicher Dienstleister als Jagdbetriebsleiter fingiert, sind die Strecken zufriedenstellend.

Torsten Dörmbach

Dipl. Ing. (FH) Wald und Forstwirtschaft, Jagdgenossenschaft Wingenbach, Landwirt

 

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Praxisbericht Wingenbach

Die Umstellung auf Regiebejagung Wingenbach (Bergisches Land)
Trockenheit und Käferkalamitäten veränderten die forstliche Ausgangslage in den gemeinschaftlichen Jagdbezirken fundamental. Für die Jagdgenossenschaft Wingenbach war nach gründlicher Diskussion offensichtlich, dass neue Wege beschritten werden mussten. Vielen Jagdgenossen war die Option der Eigenbewirtschaftung zunächst nicht bekannt. Man ging den ersten Schritt zum Jagdjahr 2023/2024 und wechselte mit zunächst einem Jagdbezirk in die Eigenbewirtschaftung.

Allerdings begleitet von massivem Gegenwind aus der regionalen und überregionalen Jägerschaft. Nach dem ersten Jagdjahr hat sich der Sturm gelegt. Veränderungen auf der Fläche sind sichtbar, das wirtschaftliche Ergebnis für die Jagdgenossen ist positiv. Der Beschluss, auch den zweiten Jagdbezirk ab dem Jagdjahr 2025/26 in die Eigenregie zu überführen fiel in der Jagdgenossenschaft ohne Gegenstimme. Eine erste Bilanz in Sachen Ökologie, Ökonomie und Gemeinschaft.

Christopher Förster 

Waldgenossenschaft Burbach

 

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Praxisbericht Burbach

Die Umstellung auf Regiebejagung Burbach (Siegerland) 
Was hat die Waldgenossenschaft bewogen, über die Neuorganisation der Jagd auf ihren Flächen nachzudenken und wie war die Ausgangssituation auf dem Flächen? Welche finanziellen Schäden entstehen den Eigentümern, wenn die Jagd nicht sachgerecht ausgeübt wird? Ein Blick in die Praxis nach einem Jagdjahr in Eigenbewirtschaftung: Welches Fazit zieht die Waldgenossenschaft und wie geht es weiter?

 

Statements von Teilnehmenden während der Veranstaltung

Achim Schmidt 

Forstbetrieb Gemeinde Dahlem, Eifel

 

„Wir müssen bei uns die Rotwildbestände in den Griff bekommen, wenn wir in unserem Wald die Artenvielfalt haben wollen. Derzeit können sich in unseren Wäldern nur Buche und Fichte verjüngen. Für mich als Verantwortlicher in einem kommunalen Forstbetrieb war das heute auch eine waldbauliche Fortbildungsveranstaltung.“

Dr. Angelika Dauermann 

Stadtförsterin Bundesstadt Bonn
 

 

„Meine Erwartung war, Beispiele von Eigenjagdbetrieben kennen zu lernen. Die Tagung war eine gute Möglichkeit, Wissen und Praxiserfahrung zu erweitern. Es gab gute Anregungen, die zeigen, dass die Jagd ein wichtiges waldbauliches Werkzeug ist in Zeiten des Klimawandels.“

Lena Arens 

Forstverwaltung Stadt Warstein
 

 

„Es war für mich interessant, andere Modelle kennen zu lernen und das wissenschaftlich fundiert. Denn die Tagung war sehr faktenbasiert. 

Ich kann viele neue Argumente, neue Ideen und Beispiele mitnehmen, wie man das in der Praxis umsetzt. Super Veranstaltung.“

Frank Christian Heute 

Vorsitzender ÖJV.NRW
 

 

„Ich war sehr überrascht, auf wie viel Zuspruch unsere Veranstaltung stößt, insbesondere bei vielen Kommunen. Viele Förster und Waldbesitzer haben offenbar verstanden, dass die Jagd die Stellschraube schlechthin ist in unserer Waldkrise.“ 

Dr. Ralf Petercord

Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW

„Die wichtige Botschaft ist, dass wir den Wald anpassen müssen an den Klimawandel. Wir müssen ihn verjüngen. Das wird uns nur gelingen, wenn tatsächlich die Wildbestände nicht übermäßig hoch sind und wir den Wildverbiss in den Griff bekommen. 

Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die wir nur gemeinsam hinbekommen. Die bisherige Jagd hat das in der Form nicht geschafft. Deshalb muss sich auch die Jagdausübung anpassen an diese veränderten Bedingungen. Nur auf die Art und Weise werden wir einen jungen vitalen Wald aufziehen können.“

Ulrich Hardt 

Waldbesitzer Oberbergischer Kreis

 

„Ich habe heute eine hochinteressante Veranstaltung erlebt. Die Probleme, die hier thematisiert wurden, kann man ein zu eins auf unsere Jagdgenossenschaft übertragen. Es bleibt zu wünschen, dass die Inhalte dieser Tagung weitere Kreise ziehen und dass auch andere Jagdgenossenschaften zu der Erkenntnis gelangen, dass es vielleicht Sinn macht, von der Verpachtung Abstand zu nehmen, wenn man mit den waldbaulichen Erfolgen nicht zufrieden ist und in eine Eigenbewirtschaftung zu wechseln.“

Luisa Kurzenhäuser 

Hochschule Forst Rottenburg
 

 

„Für mich ist die wichtigste Botschaft, dass Waldbesitzer diejenigen sind, die die Jagd in der Hand halten. Sie können selbst entscheiden, was sie mit ihrer Jagd machen und an wen sie sie vergeben. Sie müssen sich über ihre Ziele bewusstwerden und was das für die Jagd bedeutet. 

Auf dieser Basis müssen sie entscheiden, ob sie verpachten, oder in die Eigenbewirtschaftung gehen. Beides ist eine gute Möglichkeit.“

Detlev von Eichborn 

ÖJV-NRW Tagungsleitung
 

 

„Eine gelungene Veranstaltung. Es war hier unser Anliegen im Dialog den gesellschaftlichen Nutzen der Jagd hervorzuheben. Das ist uns gut gelungen. In einer sachlichen Atmosphäre und allen Pro und Contras. Während der Exkursion haben wir noch eine schöne kontroverse Diskussion über die Waldnutzung. 

Ich bin sehr zufrieden mit der Veranstaltung.“

Impressionen von der Exkursion in die Waldflächen der Jagdgenossenschaft Wingenbach

Danke an das Team von peachfilms für die Videobegleitung, Andy Spyra für die Fotografie, Werner Schui für Texte und Konzept und KLXM für die digitale Umsetzung.

Die Filme sind auch als gesamte Playlist auf YouTube zu finden:

Wohin mit meinem Jagdrecht?