Jäger oder Wildschadenmanager?

Über den Spagat zwischen Jagdfreuden und ernsthafter Wildschadenabwehr

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Wir Jäger/innen befinden uns in einer Sinnkrise, könnte man meinen. Die meisten haben einst den Jagdschein gemacht, um Jagderlebnisse zu genießen. Kaum jemand hat sich zur teuren Jungjägerausbildung angemeldet, weil er heiß darauf ist, Wildschäden in Wald und Feld abzuwenden. 

Doch die Zeiten haben sich geändert. In den letzten Jahren ist offensichtlich geworden, dass die herkömmliche Jagd nicht mehr ausreicht. Noch nie waren die Jäger/innen so gefordert, Wildschäden zu verhindern, die Sauen in den Feldern und Rehe in den Wäldern verursachen. Der Aufwand, der betrieben werden müsste, um wirklich effektive Wildschadenprävention zu betreiben, überfordert derzeit jedoch viele Jäger/innen in den Revieren. Viele von uns - ob Jagdaufseher, „Jagdhelfer“ und vor allem wildschadenpflichtige Jagdpächter – fragen sich mittlerweile: „Sind wir eigentlich noch Jäger oder nur noch Wildschadenmanager?“

In Revieren mit Schwarzwild und Mais (Raps, Weizen, Wiesen…) wird die Situation oft belastend, weil dem Jagdpächter extrem hohe Ersatzkosten blühen. 

Neulich hörte ich von einem Jagdpächter, der nachts regelmäßig von Albträumen heimgesucht wird. Vornehmlich im September, wenn sich die Lage im Maisrevier zuspitzt. Wiederholt träumte der Pächter, der keine Wildschadendeckelung im Vertrag hat, er stünde weinend in einer großen, von Sauen zerstörten Fläche inmitten der riesigen Maisschläge. Um ihn herum tobt der Bauer wie das wütende Rumpelstilzchen und fordert, fordert, fordert….

Selbst, wenn man als Jagdpächter mit seinem Team alles Menschenmögliche (Arbeit, Zeit, Geld) in die Prävention von Sauenschäden investiert: Wildschäden durch Schwarzwild - auch größere – sind in einem einzelnen Revier nicht komplett zu verhindern. Schäden durch Schwarzwild in der Landwirtschaft sind systemimmanent. Den Sauen wird immer mehr Futter vor die Nase gepflanzt und sie nehmen es gerne an. Andere „Schädlinge“, wie zum Beispiel Läuse im Weizen, werden von Landwirten einfach weggespritzt. Der Pestizideinsatz gegen Wildschweine ist jedoch nicht erlaubt. Also soll es der Jagdpächter richten. Oder zahlen. Dass ein Jagdpächter den Versicherer für subventionierte Landwirte spielen muss, womöglich ohne Unterstützung von Jagdgenossenschaft und Landwirten, ist nicht mehr zeitgemäß. Über diesbezügliche jagdrechtliche Änderungen darf gerne mal nachgedacht werden. Zum Beispiel sollten Landwirte - als mitverantwortliche Verursacher des Problems – grundsätzlich mit in die Pflicht genommen werden. Unterstützung darf allerdings nur derjenige Jagdpächter erwarten, der wirklich ernsthaft an der Reduktion der Schwarzwildbestände mitwirkt. Pächter von Revieren, in denen Sauen mehr gekirrt als gejagt werden, müssen auch weiterhin für Schäden in ihren Revieren geradestehen. (wildoekologie-heute)

Vollkommen anders ist die Situation im Wald. 

Hier droht dem Jagdpächter nicht wirklich das finanzielle Horrorszenario wie dem Pächter des Sauen-Mais-Revieres. Nicht, weil der Schaden nicht auch sehr groß - meist höher als die Maisschäden - wäre, sondern weil es für Waldbesitzer nicht möglich ist, die Schäden der verschwundenen Eichen und Eschen geltend zu machen. Die Jagdpächter sind derzeit aber gut beraten, die Bejagung der Rehe und Hirsche sehr ernst zu nehmen. Das Gute ist: Wir wissen, wie es geht. Ein Absenken der Verbissschäden funktioniert, wissenschaftlich nachgewiesen, durch entsprechende Eingriffe beim Reh- und Rotwild (u. a. Heute 2022). Die sehr hohen Bestände müssen an den Lebensraum Wald angepasst werden. Jetzt wird sich wieder der eine oder andere Jäger aufregen. 

Doch das Narrativ vom „letzten Reh“, dass bei intensiver Rehwildbejagung geschossen würde, ist obsolet. 

Es ist zigfach widerlegt in Revieren „des Forsts“, in denen eine „scharfe“ Rehbejagung nirgends zu nachhaltigen Einbrüchen der Rehpopulationen geführt hätte. Jeder Jäger, der in „seinem“ Revier mal unselektiv viele Rehe geschossen hat, wundert sich, wie viele Rehe im nächsten Jahr immer noch / wieder da sind. 

Allerdings: Das Heranhegen eines alten Bockes funktioniert bei einer intensiven Rehbejagung natürlich nicht mehr. Ansprüche und Wirklichkeit müssen daher in vielen Revieren angepasst und neu austariert werden. Das klappt nur, wenn die Jagdpächter ehrlich dazu bereit sind, Schalenwildbestände anzupassen. Und Verpächter auf Einnahmen aus der Jagdpacht und auf Teile des Wildschadenersatzes verzichten. Die Probleme in den Revieren sind derart groß, dass künftig nur sehr klare Pachtmodelle erfolgreich sein werden. Kompromisse werden nicht zum Ziel führen, denn: „In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod“ (Friedrich von Logau - 17. Jahrhundert).

Frank Christian Heute
Landschaftsökologe