Das ÖJV-Revier Rommersberg

 

Der Ökologische Jagdverein NRW (ÖJV.NRW) bejagt seit dem 1.4.2021 ein Revier im Bergischen Land bei Engelskirchen. Die Gräflich von Spee`sche Forstbetriebe Heltorf (Düsseldorf) hatten sich 2020 an den ÖJV gewendet mit der Bitte bzw. dem Auftrag, das Revier künftig so zu bejagen, dass nach der großen Käferkalamität ein klimastabiler Zukunftswald entstehen kann.

Das Revier

Der Eigenjagdbezirk Rommersberg ist 250 Hektar groß, wovon 200 Hektar auf Waldflächen und 50 Hektar auf Grünland entfallen. Das Revier hatte mit ca. 60 Prozent einen sehr hohen Fichtenanteil. Nach den Trockensommern sind hier etwa 115 Hektar Kalamitätsflächen entstanden. Mittlerweile sind fast alle Flächen geräumt – es steht nahezu keine Fichte mehr im Revier. Außergewöhnlich ist das Ausmaß einzelner Kahlflächen. Im nördlichen Bereich des Revieres sind etwa 70 Hektar der Flächen zusammenhängend und werden in einigen Jahren einen sehr großen Dickungskomplex bilden.

Die Waldverjüngung bestand 2021 ausschließlich aus Fichten, wenigen Birken, kaum Buchen und viel Ilex. Keine andere Art konnte sich in den Jahren zuvor verjüngen.

 

Zum Bild: 
Kahlflächen
60 Prozent der Waldflächen im Revier sind der Trockenheit zum Opfer gefallen. In den nächsten Jahren entstehen großflächig Äsungs- und Deckungskomplexe.

Zielsetzung

Nachdem der Verpächter die extremen Wald- und Wildschäden im Revier erfasst hatte und die waldbauliche Zielsetzung einer artenreichen Wiederbewaldung formuliert hatte, setze sich im Betrieb die Erkenntnis durch, dass die derzeitige Bejagung nicht ausreichen würde, um die Ziele zu erreichen. 

Der Auftrag an den ÖJV.NRW lautet, die Rehwildjagd so zu intensivieren, dass sich auf den Kalamitätsflächen mindestens die Hauptbaumarten (Eiche, Buche, Lärche, Douglasie, Fichte, Kiefer) etablieren können. Aus waldökologischer Sicht ist es zunächst wichtig, dass sich, neben der standorttypischen Kraut- und Strauchvegetation, die Vorwaldarten dieser Standorte Birke, Aspe, Eberesche und Salweide etablieren. In deren Schutz können die anderen Arten der potentiell natürlichen Vegetation und weitere Zielbaumarten heranwachsen.  

Rahmenbedingungen

Der Jagdbetrieb wird von den Begehungsscheininhabern des ÖJV im Rahmen der Verwaltungsjagd organisiert und ausgeübt. Selbstverständlich wird der Eigentümer zu den Gemeinschaftsansitzen und zur Drückjagd „eingeladen“. So kann er sich direkt vor Ort von der professionellen, zielorientierten Arbeit der ÖJV-Jäger überzeugen.

Der Verpächter gewährte dem ÖJV.NRW, nach den ersten konstruktiven und vom gegenseitigen Respekt geprägten Gesprächen, einen Vertrauensvorschuss: Der ÖJV.NRW braucht kein Jagdentgelt (Jagdpacht) zu entrichten, der Wildschaden im Grünland ist bei 1.000 € gedeckelt und der Eigentümer finanzierte das Hochsitzholz für die Erstausstattung an Ansitzeinrichtungen.

Dem ÖJV.NRW entstehen durch die Jagdpacht also keine Kosten. Die Ausgaben werden durch Wildbreterlöse sowie geringe Teilnahmegebühren für Schützen bei den Gemeinschaftsansitzen (5 €) und Drückjagden (15 €) kompensiert.

Jagdliche Einrichtungen

Mit einer Schablone wurden die vorgeschnittenen Kanthölzer positioniert und mit dem Druckluftnagler zusammengenagelt. So konnten an einem Tag 35 Hochsitze gebaut werden.

Um ein Revier konsequent zu bejagen, bedarf es ausreichend vieler, geeigneter Ansitzeinrichtungen. Je nach Revierverhältnissen ist ein Hochsitz pro vier bis sieben Hektar notwendig. Vom Vorpächter wurden nur drei Ansitze übernommen. 

Zusätzlich wurden im ersten Jahr 36 Kombisitze, die zum Ansitz und zur Drückjagd gleichermaßen geeignet sind, gebaut und aufgestellt. Allein dieser Aufwand unterstreicht den erheblichen Unterschied, den die waldorientierte Jagd zur „klassischen“ Jagd ausmacht!

Mit Rückefahrzeugen und Greifern wurden die Hochsitze im Revier aufgestellt.

Als weitere „jagdliche Einrichtung“ gibt es einen „Schwarzwildzaun“, der die Sauen von den Wiesen fernhalten soll. Der Zaun wurde vom Eigentümer finanziert und verläuft entlang der Wald-Wiesen-Kanten. Die Kontrolle des Zaunes, der ganzjährig Strom an zwei Litzen führt, sowie das regelmäßige freischneiden obliegt den Jägern vor Ort. 

Der Aufwand, den Zaun andauernd zu kontrollieren und zu pflegen ist groß, lohnt aber: Es kommen fast keine Grünlandschäden vor, obwohl die Schwarzwilddichte in der Region hoch ist. Offenbar sind die Sauen hier bereits konditioniert, da es den Zaun schon seit vielen Jahren gibt.

Bisherige Bejagung

Bis 2021 wurde das Revier konventionell bejagt. Selektive Rehbock- und Kirrjagd auf Schwarzwild standen im Vordergrund. Die Rehwildstrecken betrugen etwa fünf bis sieben Rehe pro 100 Hektar, was dem Durchschnitt in dieser Region entspricht.

Jetzige Bejagung

Im Rahmen von Gemeinschaftsansitzen konnte sich der Betriebsleiter des Eigentümers von der Arbeit des Jagdteams überzeugen.

Das Revier wird von drei Begehungsscheininhabern des ÖJV.NRW bejagt, die reviernah wohnen. Die Jäger sind seit vielen Jahren mit der konsequenten Rehwildbejagung vertraut und haben sich in anderen Revieren bereits bewährt. Zwei von Ihnen sind Förster. Die drei örtlichen Jäger steuern den größten Anteil an der Jahresstrecke bei. Regelmäßig werden im April/ Mai und September Gemeinschaftsansitze (mit ÖJV-Mitgliedern) organisiert und eine professionell organisierte Drückjagd durchgeführt.

Die Jäger vor Ort zeichnen sich durch Professionalität und Effektivität aus. Etwa die Hälfte der Strecke erzielen die Jäger auf der Pirsch mit der Wärmebildkamera. Auch der Klettersitz kommt häufig zum Einsatz.

Der Arbeitsaufwand, der für diesen waldorientierten Jagdbetrieb geleistet werden muss, ist mindestens viermal höher als in einem „durchschnittlichen“ Pachtrevier (Vgl. Rehwildprojekt, ÖKOJAGD 2/2022). Als Honorierung ihrer Arbeit verbleibt das komplette Wildbret bei den Begehungsscheininhabern.

Ab 1. September ist die Jagd auf Schmalrehe frei.

Im ersten Jahr wurden im Revier 79 Stück Schalenwild erlegt (40 pro 100 Hektar Wald), davon 62 Rehe (31/ 100 ha Wald). Der sehr hohe Eingriff des ersten Jahres machte sich im zweiten Jahr bemerkbar – die Rehe waren bereits schwieriger zu bejagen.  

Im zweiten Jagdjahr (2022/23) wurden 41 Stück Schalenwild geschossen, darunter 35 Rehe (17,5 pro 100 ha Wald). Das Beispiel des Lehrrevieres verdeutlicht, dass eine intensive Rehbejagung nicht zum Zusammenbruch des Bestandes führt. Es kommen nach wie vor reichlich Rehe im Revier vor - die weiterhin konsequent bejagt werden.

Monitoring

Es wurden vier Weisergatter errichtet, die vom Eigentümer finanziert und vom Jagdteam gebaut wurden.

Um zu erfassen, ob die Bejagung ausreichend ist und zum Ziel führt, wurde 2021 zunächst der Ist-Zustand ermittelt, u. a. durch Vegetations- und Verbissaufnahmen durch Biologie-Studenten der Ruhruni Bochum. Das Ergebnis zeigte, dass sich im Revier in den letzten zehn Jahren ausschließlich Fichten (und Ilex) verjüngen konnten. 

Die Laubholzarten wiesen ein durchschnittlichen Leittriebverbiss von 75 % auf. Bei derartigem Verbissdruck werden alle Arten (außer Fichten) komplett selektiert und kommen in der Verjüngung nicht mehr in Höhenklassen >100 cm vor.

Im Frühjahr 2022 wurden außerdem vier Weisergatter errichtet, um den (hoffentlich geringen) Einfluss des Rehwildes (und des immer wieder einwandernden Damwilds aus der benachbarten Hegegemeinschaft) festzustellen.

Bereits im zweiten Jahr, also dem ersten Jahr nach dem sehr hohen Eingriff des Jagdjahres 2021/22, konnte eine sehr positive Entwicklung der Kalamitätsflächen konstatiert werden. Auf allen Kahlflächen kam das Schmalblättrige Wald-Weidenröschen reichlich zur Blüte (ganz im Gegensatz zu anderen Revieren in der Region). 

Und auch unverbissene, dreijährige Eichen finden sich vielfach auf den Flächen. Beides, blühende Weidenröschen und unverbissene Eichen, sind sehr gute Indikatoren dafür, dass der Verbissdruck auf den Flächen gering ist und eine artenreiche Waldverjüngung ungehindert stattfindet.

Die Verbissaufnahmen im Mai 2023 konnten den positiven Eindruck komplett bestätigen. Der Leittriebverbiss von 3 % gewährleistet nun das Aufwachsen auch verbissempfindlicher Arten wie Eiche, Eberesche und Weißtanne.

Fazit

Das Vorgehen des Eigentümers, den Jagdbetrieb in professionelle Hände zu geben und auf Jagdpachterlöse zu verzichten, wird sich auszahlen, sofern die Ziele annähernd erreicht werden. Denn der Schutz der Kulturen und Naturverjüngungen durch Zäune würde den Eigentümer etwa das Zehnfache der fehlenden Jagdpachterlöse kosten. 

Der Vorteil dieses „Systems“ - professionelle Bejagung bei Verzicht auf Jagdentgelt – liegt auf der Hand: Die Bejagung in Eigenregie ist sehr kostspielig (bis zu 42 € pro Hektar und Jahr!) und dabei oft nicht mal erfolgreich, wie viele Betriebe in letzter Zeit feststellen mussten. Sich Reviere bzw. Pirschbezirke professionell von versierten „Jagdhandwerkern“ bejagen zu lassen, dürfte künftig das Erfolgsmodell in Waldrevieren werden.

 

Zum Bild:
Weidenröschen
Im August 2022 blühten auf jeder Kalamitätsfläche viele Weidenröschen. Indikator dafür, dass der Rehbestand bereits im ersten Jahr angepasst werden konnte!