Jagen im urbanen Raum, mit all seinen Besonderheiten: Das erlebten die ÖJV-Mitglieder im Königsforst östlich von Köln. In diesem Ballungsraum treffen die Bedürfnisse und Interessen gelegentlich unversöhnlich aufeinander. Im Rahmen eines Sammelansitzes der Regionalgruppe Köln-Bonn-Eifel des ÖJV.NRW sprach Revierleiter Joachim Cohnen (Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft) über die Herausforderungen am Rande der Großstadt:
Wenn man im Königsforst zum ersten Mal zum Ansitz geht, womit muss man im schlimmsten Fall rechnen?
Meine Ansage an neue Jagdgäste in diesem urbanen Revier beschreibt es so: „Bitte rechnen Sie jederzeit im Bereich außerhalb der Wege, auf und an den Ansitzeinrichtungen mit jagdfremden Personen. Oftmals werden Hochsitze zum „chillen“ genutzt. Mit anthropogenen Hinterlassenschaften unter und auf den Ansitzeinrichtungen ist immer zu rechnen. Bleiben Sie stets freundlich gegenüber jagdfremden Personen. Sollten die Personen sich nicht entfernen wollen oder aggressiv reagieren, rufen Sie bitte zeitnah zur Klärung vor Ort den Revierleiter hinzu.“
Bei dem großen Besucherdruck durch Sportler, Wanderer, Naturliebhaber: Wie gelingt es, da überhaupt sichere und erfolgreiche Drückjagden zu organisieren?
Höchste Priorität hat im urbanen, stark frequentierten Wald die Sicherheit bei Einzel- und Gesellschaftsjagden. Schon bei der Standortwahl der Ansitzeinrichtungen und deren Bauweise (Bauhöhe mehr als 3,50 Meter) steht der Kugelfang im Gelände im Fokus. Die Einweisung in puncto Sicherheit ist intensiv, sowohl für einzelne Jagdgäste, als auch für Ansteller kleiner Gruppen vor der Gesellschaftsjagd. Jedem Ansteller werden persönlich die einzelnen Sitze mit den jeweiligen wichtigen Informationen (Wegerichtung, Schusskorridore, Verbotszonen etc.) gezeigt. Jeder Ansteller muss den Gast am Sitz auf die Sicherheitsaspekte einweisen. Die morgendliche Einweisung am Drückjagdtag ist in Sachen Sicherheit eindeutig und klar verständlich. Erstes Ziel ist: Alle jagdfremden Personen und alle Jägerinnen und Jäger sollen den Wald wieder sicher und unversehrt verlassen. Für Notfälle ist stets eine allen bekannte Rettungskette vorzuhalten.
Wenn dann entsprechendes Schalenwild an die Rohrbahn kommt, hat sich der Aufwand im Großstadtwald gelohnt. Die Standorte der Ansitzeinrichtungen werden natürlich auch im Hinblick auf „Fängigkeit“ ausgewählt. Bei der Einzeljagd ist die Pirschjagd trotz möglicher hoher Effektivität im ebenen Gelände des urbanen Waldes aus Sicherheitsgründen untersagt.
Joachim Cohnen zeigt die Ausdehnung seines Forstamtes: Etwa so groß wie das Saarland, aber mit rund 2,4 Millionen Menschen. 53.000 Hektar Wald, entspricht 22 Prozent der Fläche.
Ansitz im Königsforst.
Kölner Dom und Flughafen Köln-Bonn liegen in Sichtweite.
Ist in den vergangenen Jahren in der Stadtbevölkerung die Akzeptanz für die Schalenwildbejagung gewachsen, angesichts der Kalamitäten. Oder verfangen eher die Parolen einzelner Naturschützer, die behaupten, Jagd sei gar nicht notwendig?
Seitdem ich im Forstbetriebsbezirk Königsforst zuständig bin, versuchen wir stets mit „offenen Karten“ gegenüber der Bevölkerung zu spielen. Die Menschen hier aus dem „Veedel“ sehen uns, und sie verstehen zumeist die Gemengelage von „Wald und Wild“, jagdlichem Tun, leckerem Wildbret, Verbiss und ASP etc. Allerdings nach vielen tausend geführten Gesprächen.
Aber sicherlich sind Menschen aus Cologne City nicht alle verständig zum Thema „Jagd - Töten von Tieren aus Waldschutzgründen“. Beim Metzger gibt es heute vegane „Feine Leberwurst“ – mehr brauche ich nicht zu sagen. Zusammenstöße mit PETA und anderen unwohlgesonnenen Mitbürgern waren bisher keine Seltenheit. Alle können wir nicht mitnehmen, nicht alle überzeugen. Aber wir arbeiten mit Elan und vollem Einsatz weiter an der Thematik und auf der Waldfläche, die uns anvertraut wurde.
Jagdschulen und Jagdkurse produzieren Jahr für Jahr immer mehr Jagdscheininhaber. Kommen die Jungjägerinnen und Jungjäger gut gerüstet, oder besteht Bedarf an Nachschulung und Praxiswissen?
Über diejenigen, die ihr Wissen in einer Jagdschule erworben haben, könnte ich etliche Anekdoten berichten. Das unterlasse ich aber an dieser Stelle, das dauert zu lang. Mein Fazit: Wie immer und überall im Leben gibt es „Joode un Schlechte“, wie man in Kölle säät.
Ein ansehnlicher Anteil der Jagdschulenbesucher hat allerdings Wissensmängel: Im richtigen Ansprechen von Tierarten, bei den Jagd- und Schonzeiten und in weiteren essentiellen Themenbereichen. Das Aufbrechen und Versorgen von Wild ist zumeist nur von Ferne beobachtet worden.
Andere sind von zu Hause, also familiär oder anderweitig vorgeprägt und „gute“ Jungjäger.
Üben, üben, üben. Bevor es in Feld, Wald und Flur geht.
Stichwort Fallwild:
Zeigt die beherzte Jagd in der Nähe von Autobahnen und Bundesstraßen einen Effekt?
Wildunfälle tendieren hier durch die beherzte Bejagung fast gegen Null. Zu meiner Anfangszeit ereigneten sich im Straßenverkehr zwischen 30 und 50 Zwischenfälle mit Wild, pro Jahr.
Werden die Grünbrücken in der Region auch vom Rotwild gut angenommen und lässt sich daraus ableiten, dass der genetische Austausch funktioniert?
Ja, die Grünbrücken:
Eins der besten und interessantesten Großprojekte während meiner bisherigen Dienstzeit. Alle involvierten Dienstleister, Behörden etc. haben in der Sache konstruktiv an einem Strang gezogen.
Schon während des Baus der Brücken zogen Wildtiere aller Art um die Bauwerke ihre Fährte. Kurz nach Eröffnung der Brücken wählte auch Rotwild die auf einem „alten Fernwechsel“ gebaute Querungshilfe - und das bis heute. Wir wollen hoffen, dass dies zu einer Verbesserung des Genpools des Rotwildvorkommens Wahner Heide/Königsforst beiträgt, um dieser Leittierart eine gesunde Zukunft zu bescheren.
Joachim Cohnen ist Revierleiter im Königsforst östlich von Köln, einer von 28 Forstbetriebsbezirken innerhalb des Forstamtes Rhein-Sieg-Erft (Wald&Holz) im Süden von NRW.
Das Interview führte Werner Schui.
Fotos: Christian Hommel