Eigenbewirtschaftung der Jagd: Ein Praxisbeispiel aus Nordrhein-Westfalen

Torsten Dörmbach

Dipl. Ing. (FH) Wald und Forstwirtschaft, Jagdgenossenschaft Wingenbach, Landwirt

 

Diese Webseite beleuchtet die Erfahrungen der Jagdgenossenschaft Wipperfürth-Ach-Wingenbach, der ersten Jagdgenossenschaft in Nordrhein-Westfalen, die den Schritt zur Eigenbewirtschaftung gewagt hat. Der Bericht schildert den Weg dorthin, die Herausforderungen und die bisherigen Erfolge.

 

Ausgangslage und Motivation

Der Referent, selbst Landwirt und größtes Jagdgenossenschaftsmitglied, schildert die Ausgangslage: fichtendominierte Wälder, massive Kalamitäten ab 2018, wirtschaftliche Schäden im siebenstelligen Bereich und Konflikte mit dem bisherigen Förster über die richtige Wiederaufforstungsstrategie. Die Erkenntnis reifte, dass die Jagd eine entscheidende Rolle für den Erfolg der Wiederbewaldung spielt. Gespräche mit den bisherigen Revierpächtern führten zu keiner Einigung über eine angepasste Jagdstrategie, da diese nicht bereit waren, das Wildschadensrisiko weiterhin zu tragen.

 

Der Weg zur Eigenbewirtschaftung

Die Jagdgenossenschaft entschied sich 2023 für die Eigenbewirtschaftung. Ausschlaggebend waren die Notwendigkeit einer effektiveren Jagd zur Erreichung der Wiederaufforstungsziele, die Unzufriedenheit mit der bisherigen Jagdpraxis und die Bereitschaft einiger Jäger, in einem neuen System mitzuwirken. Trotz anfänglichen Gegenwinds, insbesondere von traditionellen Jagdfunktionären, konnte der Beschluss zur Eigenbewirtschaftung gefasst werden.

 

Zielsetzung und Umsetzung

Die Zielsetzung der Jagdgenossenschaft ist die Etablierung von dauerhaften Mischwäldern mit 39 verschiedenen Baumarten zuzüglich heimischer Sträucher. Im ersten Jagdjahr wurden auf den 350 Hektar (50% Wald, 50% landwirtschaftliche Fläche) 113 Stück Schalenwild erlegt, davon 80 Rehe. Die Einnahmen aus Wildbretverkauf, Begehungsscheinen und Standgeld bei der Drückjagd beliefen sich auf ca. 9.500 Euro, wovon die Hälfte für neue Ansitzeinrichtungen und allgemeine Kosten verwendet wurde.

 

Erfolgsfaktoren

  • Kompetenter Jagdleiter: Der Vater des Referenten, langjähriger Jagdaufseher und Revierkenner, übernahm die Leitung.
  • Engagiertes Jagdteam: Durch einen Aufruf über soziale Medien konnte ein motiviertes Team gefunden werden.
  • Klare Zielsetzung: Definierte Abschusszahlen und Verbissgrenzen.
  • Gute Zusammenarbeit: Offene Kommunikation und gemeinsames Handeln im Team.

 

Herausforderungen

  • Anfänglicher Widerstand: Überwindung des Widerstands von traditionellen Jagdkreisen.
  • Jagdliche Infrastruktur: Notwendigkeit von Investitionen in Ansitzeinrichtungen.
  • Schwierige Geländeverhältnisse: Unterschiedliche topographische Bedingungen in den Revierteilen.
  • Schnelle Vegetation: Erschwerte Jagdbedingungen durch dichte Vegetation.
  • Trockenheit: Beeinträchtigung der Verjüngung durch Trockenperioden.
  • Schwarzwilddruck durch Nachbarreviere: Beeinflussung der Jagdergebnisse durch Schwarzwild aus angrenzenden Revieren.

 

Ergebnisse und Ausblick

Nach einem Jahr Eigenbewirtschaftung konnten deutliche Erfolge erzielt werden:

  • Niedrige Verbissprozente: Unter 5% Verbiss in den relevanten Kulturen.
  • Positive Rückmeldungen: Anerkennung und Unterstützung durch Jagdgenossen und Landwirte.
    Ausweitung der Eigenbewirtschaftung: Die Jagdgenossenschaft beschloss einstimmig, auch den zweiten Revierteil in die Eigenbewirtschaftung zu überführen.
  • Anpassung der Jagdstrategie: Die Jagdstrategie wurde an die veränderten Bedingungen angepasst, z.B. durch den Einsatz höherer Ansitzeinrichtungen.

Die Erfolge zeigen sich auch in der Verjüngung der Wälder. Eine Exkursion zu einer Eichenpflanzung, die zuvor regelmäßig hohe Verbissprozente aufwies, demonstriert die positiven Veränderungen.

 

Fazit

Die Eigenbewirtschaftung der Jagd erfordert zwar mehr Aufwand und Investitionen, bietet aber auch die Möglichkeit, die Jagd aktiv zu gestalten und die waldbaulichen Ziele effektiv zu erreichen. Die Erfahrungen der Jagdgenossenschaft Wipperfürth-Wingenbach zeigen, dass dieser Weg erfolgreich sein kann, wenn klare Ziele definiert, ein kompetentes Team zusammengestellt und die Zusammenarbeit gefördert wird. Die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an die lokalen Gegebenheiten sind dabei entscheidend. Die Eigenbewirtschaftung ermöglicht es, die Jagd als Instrument zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Waldlandschaft zu nutzen.