Jagd in Eigenbewirtschaftung: Ein Handlungsleitfaden für Kommunen und Jagdgenossenschaften

Luisa Kurzenhäuser

Hochschule Forst Rottenburg

 

Diese Webseite fasst die Ergebnisse eines Forschungsprojekts der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg zusammen, das sich mit der Eigenbewirtschaftung der Jagd in Baden-Württemberg befasst. Das Projekt, gefördert vom Ministerium für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, konzentriert sich speziell auf Kommunen und Jagdgenossenschaften und zielt darauf ab, ein praktisches Handbuch für den Aufbau einer eigenen Regiejagd zu erstellen.

 

Hintergrund des Projekts

Ausgangspunkt war die Sorge vor den Folgen eines Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Befragungen von Jagdpächtern zeigten, dass einige im Falle eines ASP-Ausbruchs ihre Pachtverträge auflösen könnten. Dies hätte die Flächeneigentümer in eine schwierige Lage gebracht, da sie plötzlich für die Jagd verantwortlich gewesen wären, ohne darauf vorbereitet zu sein. Zudem gab es ein wachsendes Interesse an der Eigenbewirtschaftung, jedoch fehlte es an fundierten Informationen und Best-Practice-Beispielen.

 

Was bedeutet Eigenbewirtschaftung?

Eigenbewirtschaftung bedeutet, dass die Jagd durch den Eigentümer selbst oder eine vom Eigentümer beauftragte Person ausgeübt wird.

 

Verbreitung der Eigenbewirtschaftung in Süddeutschland

Eine Umfrage unter den unteren Jagd- und Forstbehörden in Baden-Württemberg ergab, dass es 62 Kommunen und Jagdgenossenschaften mit Eigenbewirtschaftung gibt. Diese Zahl war deutlich höher als erwartet und zeigt, dass dieses Modell in Süddeutschland durchaus verbreitet ist. Die Größe der betroffenen Reviere variiert stark, von 81 Hektar bis hin zu 8.500 Hektar. Oft wird zunächst mit Teilflächen begonnen, um Erfahrungen zu sammeln. Interessanterweise gibt es auch Fälle, in denen die Feldflächen größer sind als die Waldflächen, was angesichts des Wildschadensrisikos in der Landwirtschaft ungewöhnlich ist.

 

Entwicklung der Eigenbewirtschaftung

Seit 2020 ist ein deutlicher Anstieg der Gründungen von Regiejagden zu verzeichnen. Dies deutet auf wachsende Konflikte im traditionellen Pachtsystem hin.

 

Ziele der Eigenbewirtschaftung

Die Hauptziele der Eigenbewirtschaftung sind:

  • Herstellung waldökologisch tragbarer Schalenwilddichten.
  • Sicherung der Naturverjüngung ohne Schutzmaßnahmen.
  • Verhinderung von Wildschäden.
  • Rücksichtnahme auf Erholungssuchende (insbesondere im städtischen Raum).
  • Erhaltung der Waldzertifizierung (z.B. PEFC).

In Bayern, insbesondere in Oberbayern, ist die Eigenbewirtschaftung durch Jagdgenossenschaften, oft bäuerlich geführt, bereits seit etwa 20 Jahren verbreitet. Dort leiten häufig private Jäger die Jagd als beauftragte Personen. In Baden-Württemberg hingegen übernehmen oft Förster diese Aufgabe.

 

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Eigenbewirtschaftung

  • Klare Zielsetzung: Die Ziele müssen realistisch sein und die Auswirkungen des Klimawandels berücksichtigen.
  • Geeignete Infrastruktur: Hochsitze, Wildkammer, Lagermöglichkeiten.
  • Kompetente Personen: Beauftragte Person (Jagdleiter) und Jäger.
  • Gute Zusammenarbeit: Die beauftragte Person muss die gleichen Ziele wie der Eigentümer verfolgen.

 

Das Baukastensystem der Eigenbewirtschaftung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Regiejagd zu organisieren, abhängig von den jeweiligen Voraussetzungen und Zielen.

  • Geringer Aufwand: Viel Arbeit wird an die Jäger delegiert, Wild wird direkt an sie abgegeben.
  • Mittlerer Aufwand: Forstrevierleiter organisiert die Jagd, kleine Wildkammer vorhanden, Wildabgabe an Jäger.
  • Hoher Aufwand: Strikte Organisation durch Forstrevierleiter oder angestellten Jäger, hochwertige Jagdeinrichtungen, eigene Wildvermarktung.

Je höher der Aufwand, desto größer ist der Einfluss des Eigentümers auf die Jagd.

 

Kosten der Eigenbewirtschaftung

Die Kosten variieren stark. Befragungen in Bayern und Baden-Württemberg ergaben folgende Richtwerte pro Hektar und Jahr:

  • Bayern (Jagdgenossenschaften): Zwischen 0,66 € und 4,96 € (oft durch ehrenamtliches Engagement geringe Kosten).
  • Baden-Württemberg (kommunale Regiejagden): Zwischen 9,38 € und 92 €.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Eigenbewirtschaftung nicht primär auf Gewinn ausgerichtet sein sollte, sondern auf die Erreichung der waldbaulichen Ziele. Die Einsparungen durch vermiedene Wildschäden, Zuwachsverluste und Kosten für Schutzmaßnahmen sollten ebenfalls berücksichtigt werden.

 

Praxisbeispiel: Regiejagd Pullingen

Ein Beispiel aus Pullingen zeigt die positiven Auswirkungen der Eigenbewirtschaftung. Nach der Umstellung auf Eigenbewirtschaftung konnte eine deutliche Verbesserung der Naturverjüngung beobachtet werden.

 

Fazit

Eine funktionierende Pachtjagd ist eine gute Lösung. Wenn dies jedoch nicht der Fall ist, kann die Eigenbewirtschaftung eine sinnvolle Alternative sein. Es gibt nicht die eine richtige Lösung, sondern es gilt, die für die jeweiligen Verhältnisse passende Vorgehensweise zu finden. Die Eigenbewirtschaftung bietet die Möglichkeit, die Jagd aktiv zu gestalten und die Jäger fortzubilden. Wichtig ist eine klare Zielsetzung und die Erkenntnis, dass Nichtstun keine neutrale Option ist. Das Jagdrecht liegt beim Eigentümer, der somit die Möglichkeit hat, die Jagd aktiv zu gestalten.