Wald im Wandel: 
Die Notwendigkeit einer neuen Jagdkultur

Frank Christian Heute

Wildökologie-Heute

 

Die gegenwärtige Situation unserer Wälder erfordert ein Umdenken in vielen Bereichen, insbesondere in der Jagdpraxis. Überhöhte Wildbestände, vor allem von Rehwild, gefährden die natürliche Verjüngung, beeinträchtigen die Artenvielfalt und verursachen immense wirtschaftliche Schäden. Die traditionelle Jagd, oft geprägt von Pachtverhältnissen und kurzfristigen Gewinninteressen, stößt an ihre Grenzen. Eine waldorientierte Jagd, die die Bedürfnisse des Ökosystems in den Mittelpunkt stellt, ist unerlässlich geworden.

 

Die Last des Überflusses: Wildverbiss und seine Folgen

Das Bild vieler Wälder ist geprägt von den Spuren des Wildverbisses. Junge Bäume, insbesondere Laubhölzer wie Buche und Eiche, werden verbissen und können sich nicht natürlich entwickeln. Dies führt zu einer Monokultur aus weniger verbissanfälligen Arten und einem Verlust der Biodiversität. Die ökonomischen Folgen sind beträchtlich: Schutzmaßnahmen wie Zäune sind kostspielig und beeinträchtigen das Landschaftsbild. Die Wiederbewaldung geschädigter Flächen wird durch den anhaltenden Verbiss erschwert und verteuert. Darüber hinaus werden wichtige Ökosystemleistungen des Waldes, wie die CO2-Speicherung und der Wasserschutz, beeinträchtigt. Die Ursache liegt oft in Wilddichten, die weit über den von Wildbiologen empfohlenen Werten liegen.

 

Verkrustete Strukturen: Herausforderungen in der Jagdpraxis

Die Verantwortung für die Situation liegt nicht allein bei den Jägern. Vielmehr handelt es sich um ein komplexes Problem, das verschiedene Akteure und Strukturen betrifft. Die traditionelle Verpachtung der Jagd birgt inhärente Konflikte. Verpächter erwarten oft hohe Pachteinnahmen und die Übernahme der Wildschäden durch die Pächter. Diese wiederum haben ein Interesse an einem möglichst hohen Wildbestand, um ihren jagdlichen „Erfolg“ zu sichern. Diese unterschiedlichen Interessenlagen erschweren eine effektive Wildbestandsregulierung im Sinne des Waldes. Hinzu kommt, dass viele Jäger nicht über das notwendige waldbauliche Wissen verfügen und traditionelle Jagdpraktiken pflegen, die den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Die oft mangelnde Kommunikation zwischen Waldbesitzern und Jägern verschärft die Situation zusätzlich.

 

Wege aus der Krise: Die Regiejagd als Chance

Ein vielversprechender Ansatz zur Lösung der Probleme liegt in der Regiejagd. Hier übernimmt der Waldbesitzer die Verantwortung für die Jagd selbst und kann den Wildbestand gezielt im Einklang mit den waldbaulichen Zielen steuern. Zentrale Elemente einer erfolgreichen Regiejagd sind:

  • Eine professionelle Jagdleitung: Qualifizierte Jagdleiter mit forstlichem Fachwissen sind unerlässlich, um die Jagd effektiv und nachhaltig zu gestalten.
  • Die sorgfältige Auswahl der Jäger: Nicht nur jagdliches Können, sondern auch Motivation, Zeit und die Bereitschaft, sich mit den Zielen des Waldbesitzers zu identifizieren, sind entscheidende Kriterien bei der Auswahl der Jäger.
  • Ein angepasstes Jagdkonzept: Es bedarf waldorientierter Jagdkonzepte, die auf die spezifischen Bedingungen des jeweiligen Reviers zugeschnitten sind und die natürlichen Prozesse im Wald berücksichtigen.
  • Eine intensive Bejagung: Eine effektive Reduktion des Wildbestands erfordert eine konsequente und intensive Bejagung, insbesondere in den kritischen Monaten des Frühjahrs und Herbstes.
  • Ein systematisches Monitoring: Regelmäßige Kontrollen des Verbisses und der Wildbestände sind notwendig, um den Erfolg der Maßnahmen zu überprüfen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.
  • Investitionen in die Infrastruktur: Der Bau von Hochsitzen und die Anlage von Schussschneisen sind wichtige Voraussetzungen für eine effektive und sichere Jagd.

 

 

Ein persönlicher Wandel: Die Erfahrungen von Herrn von dem Bussche

Gabriel Freiherr von dem Bussche

Forstbetrieb Schloss Neuenhof

Ein besonders eindrückliches Beispiel für den Wandel in der Jagdpraxis lieferte der Bericht von Herrn von dem Busche. Er schilderte seinen persönlichen Weg von der traditionellen Pachtjagd hin zu einem neuen, waldorientierten Konzept in seinem eigenen Betrieb. Als Betriebswirt und Jäger erkannte er die Notwendigkeit, die Jagd als Instrument zur Bewältigung der Herausforderungen im Wald zu nutzen. Er analysierte die bestehende Situation und erkannte den Interessenkonflikt zwischen den Zielen der Pächter und seinen eigenen waldbaulichen Zielen. Daraufhin vollzog er einen radikalen Schritt: Er verzichtete auf die Pachtzahlungen und übertrug den Jägern das Privileg der Jagd im Gegenzug für die strikte Einhaltung seiner Vorgaben. Dieser Paradigmenwechsel ermöglichte es ihm, die Jagd aktiv zu gestalten und den Wildbestand gezielt zu regulieren. Er betonte die Bedeutung eines frühen Jagdbeginns im Jahr und die Abkehr von traditionellen Jagdpraktiken. Für Herrn von dem Busche steht nicht die reine Anzahl der erlegten Tiere im Vordergrund, sondern die nachhaltige Wirkung der Jagd auf den Wald.

 

Die Zukunft des Waldes: Eine neue Jagdkultur

Die vorgestellten Ansätze und Beispiele zeigen, dass eine waldorientierte Jagd einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt und Umbau unserer Wälder leisten kann. Die Regiejagd bietet Waldbesitzern die Möglichkeit, den Wildbestand aktiv zu steuern und die natürlichen Prozesse im Wald zu fördern. Die Erfahrungen von Herrn von dem Busche verdeutlichen die Notwendigkeit eines Umdenkens in der Jagdpraxis und einer engen Zusammenarbeit zwischen Waldbesitzern und Jägern. Es geht um die Entwicklung einer neuen Jagdkultur, die den Wald und seine vielfältigen Funktionen in den Mittelpunkt stellt. Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Wälder auch in Zukunft ihre wichtigen Aufgaben für Mensch und Natur erfüllen können.